Deutung und Entwicklung
Vielfaltig ist die Literatur über die Deutung und Altersbestimmung von Orten seitens der Namenkunde. Diese Wissenschaft nutzt die in historischen Quellen überlieferten Ortsbezeichnungen zur Einordnung in ein bestimmtes Zeitschema.
Dabei werden unterschieden:
1. Die erste Periode oder Landnahmezeit (vor 500 n. Chr.),
2. die ältere Rodeperiode (etwa 500 - 800 n. Chr.),
3. die jüngste Rodeperiode (etwa 800 - 1200/ 1300 n. Chr.).
Ausgangspunkt bei der namenkundlichen Auswertung eines Ortsnamens ist die älteste schriftlich überlieferte Form, die allerdings in der Regel nur bis in das Mittelalter zurückreicht. Da es keine festen Schreibweisen für Ortsnamen gab, sondern diese nur mündlich weitergegeben wurden, sind manche Ortsnamen heute nur verstümmelte oder verfremdete Formen der mittelalterlichen Bezeichnungen.
Im Fall von Cremlingen ist dies allerdings nicht der Fall, wie eine Auswahl der in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkunden auftauchenden Schreibformen des Ortsnamens beweist.
- 1296: Kremmelinghe
- 1302: Cremlinge
- 1316: Cremnige
- 1318: Kremlingh
- 1348: Kremmelinge
- 1349: Cremmelinge
- um 1400: Kremelinge
1539: Kremling
(Gerade Ortschaften mit der Endung -ingen haben den Namenkundlern offenbar keine eindeutigen Ergebnisse geliefert, so daß sie gerade in der älteren Literatur zeitlich nicht einheitlich eingeordnet werden, wahrend die Deutung des Namens offenbar weniger Spekulationen offenläßt.
Nach Richard Andrees "Braunschweiger Volkskunde" von 1901 waren die Orte mil der Endung -ingen meist nach dem Gründer und dessen Nachkommen benannt. Weiterhin kann die Endung -ingen aber auch mit einer bestimmten Ortsbezeichnung verbunden sein. Zeitlich seien sie "sämtlich nicht alt und gehören frühestens dem 8. Jahrhundert an".
Die Verbreitung dieser Namensendung reicht nach Andree über ganz Deutschland. Besonders bei den Bayern (-ing), Alemannen (-ingen), Thüringen und Hessen (- ungen) sind solche Endungen üblich. Aber auch in England und im skandinavischen Raum hat sie Verbreitung gefunden.
Jüngere Untersuchungen haben neben der reinen namenkundlichen Betrachtung auch geographische Beobachtungen mit einfließen lassen, die das Bild erweitern konnten. So wurden z.B. die Bodenqualität und die natürliche Wasserversorgung der betreffenden Orte berücksichtigt.
W. Flechsig ordnet 1959 daher auch die Orte mit der Endung -ingen in die älteste Schicht der Ortsnamen ein. Er begründet dies mit dem Fehlen derartiger Namen bei der deutschen Ostkolonisation seit dem 12. Jahrhundert einerseits und der Nennung germanischer Orte u.a. mit der Endung -ingi bei griechischen und römischen Schriftstellern des ersten und zweiten Jahrhunderts n. Chr..
Allerdings bezieht sich diese Zuordnung zur ältesten Ortsnamenschicht nur auf eine Verbindung mit einer meist unerklärbaren Vorsilbe. In Verbindung mit einem Personennamen wäre der Ort in die nächst jüngere Namenschicht zu setzen.
Wie nun der Ortsname Cremlingen einzuordnen ist, bleibt fraglich. Ob die Vorsilbe "Kremme[l]" in Verbindung mit einem Personennamen zu bringen ist oder auf eine altere, heute unbekannte Bezeichnung zurückgeht, kann nicht beantwortet werden.
Deshalb ist die zeitliche Entstehung Cremlingens anhand des Ortsnamens nicht eindeutig zu beantworten, obwohl sehr viele Indizien für eine Zugehörigkeit zur ältesten Namenschicht sprechen, so z.B. die archäologischen Funde aus der Zeit um Chr. Geburt im westlichen Teil Cremlingens.
Im Ort selbst gibt es die auch früher von der Schule vermittelte Ansicht, daß der Ort nach einem "Ritter Kremo" benannt worden sein soll. Aber auch die Ansicht, das der Name von "Krümmling" abgeleitet sein soll, weil die "Tiefe StraBe" eine Krümmung aufweist, ist überliefert. Beide Ansichten können aber nach den heutigen Erkenntnissen als Phantasieprodukte angesehen werden.
Autor: Jörg Weber
Quelle: Cremlingen, Geschichte und Geschichten, Chronik; 1999 Ortsrat der Gemeinde Cremlingen