Aus der Chronik der Kirchengemeinde (1939 - 1946)

Für die entsprechenden Jahre geführt vom damaligen Pastor Viktor Oelze.

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DGC Dorfchroniken (1939-1946)
Ein Auszug aus der Chronik der Kirchengemeinde Cremlingen für die Jahre 1939-1946. Niederschrift geführt vom damaligen Pastor Viktor Oelze.
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1939

Im August erlebte die Gemeinde Cremlingen die ersten Einberufungen zum Wehrdienst anlässlich des bevorstehenden Krieges.

 

Im Erntedank-Festgottesdienst konnte er erste Dank erklingen für die siegreiche Beendigung des Waffenganges gegen Polen. Auch Gemeindeglieder haben an den Kämpfen in Polen Anteil gehabt. In Curlands Saal war ein Gefangenenlager polnischer Kriegsgefangener eingerichtet, das dann später in das Gutsarbeiterhaus an der Hauptstraße verlegt wurde. Die Gefangenen wurden in der Landwirtschaft des Ortes und der Nachbardörfer beschäftigt. 

 

Gottesdienst und Totenfeier am Totensonntag... 

Frauenhilfsversammlungen 

Bibelwoche in der Adventszeit

 

Zu Weihnachten ging an alle Cremlinger Soldaten ein Päckchen mit Cigaretten, einer Schrift und einem Weihnachtsbrief des Pfarrers hinaus. 


1940

In diesem Jahr unterblieb das Silvestergeläut, dass das neue Jahr 1940, das 2. Kriegsjahr einläuten sollte, aus Luftschutz- und flugtechnischen Gründen, desgleichen wurde das Geläut der Kirchenglocken auf drei Minuten und auf die Zeit bis 5 Uhr abends eingeschränkt. Um Heizungsmaterial zu sparen, fanden die Gottesdienste nach Neujahr im Pfarrhaus statt. 

 

Ungeheure Kälte und Schneefälle bis März, wochenlang fiel die Schule aus

Vertretung des Pfarrers in Volkmarode

 

Mit Beginn des Jahres legte der bisherige Organist Lehrer Hermann Schwabe sein Organistenamt nieder. An seiner Stelle übernahm die Pfarrfrau, Frau Toni Oelze, geb. Fischer, den Organistendienst.

Frauenhilfe, Bibelabende im Advent

 

Der Heilige Abend wurde - in Rücksicht auf die Verdunklungsschwierigkeiten der Kirche - vor Beginn der Dunkelheit gehalten …

Gottlob ging das 2. Kriegsjahr zu Ende, ohne dass die an den Fronten stehenden Gemeindeglieder Verluste an Verwundeten hatten.


1941

Mit Anfang des Jahres erhielt die Gemeinde Einquartierung. Ein Verpflegungszug und ein Werkzug nahmen hier ihren Standort. Auch im Pfarrhaus war Quartier für 4 Soldaten des Werkzuges, die sich dem Geist des Hauses gut anpassten.

 

Grimmiger Winter, Problem der Wasserversorgung

Vertretung des Pfarrers in Destedt mit Abbenrode und Hemkenrode

 

Der Herbst brachte das erste Kriegsleid über die Gemeinde. Nachdem im Anfang des Rußlandfeldzuges der Gefreite Gunter König den rechten Arm verloren hatte, fiel im Oktober des Jahres der Obergefreite Hermann Stöter… Ihm zu Ehren wurde ein Ehrengeläut gehalten. Auch brachte das Jahr einige Verwundungen von Rußlandkämpfern.

 

Die kirchliche Arbeit - Gottesdienst, Konfirmandenunterricht, Seelsorge, Frauenhilfsarbeit - wurde im alten Umfang fortgesetzt.

Der Bußtag wurde auf den Sonntag vorher verlegt. 


1942

Noch strengerer Winter ... 

 

Das Jahr 1942 brachte der Gemeinde, die bisher vom Kriegsleid nur in einem Fall betroffen war, viel Leid und Sorge. Zu Anfang des Jahres fiel bei einem Spähtruppunternehmen im nördlichen Teil der Ostfront Gefreiter Fritz Kurland, Ehemann der Else, geb. Amma (?), Vater zweier Töchter, einziger Sohn des hiesigen Gastwirts Albert Curland.

Auch für ihn wurde ein Totengeläut gehalten; ausserdem wurde der (?) Gottesdienst am Heldengedenktag als Gedenkfeier für die bisher Gefallenen gehalten und dabei für jeden ein Kranz mit Schleife, die den Namen nebst Geburtstag und Datum des Heldentode enthielt sowie einen Hinweis auf die Bibelstelle Johannes 15, Vers 13, niedergelegt bzw. an der Emporenaußenwand aufgehängt. Die Kränze hatte die evangelische Frauenhilfe gestiftet. Die gleiche Ehrung erfuhren die späteren Gefallenen der Gemeinde, nämlich Karl (?) … .

 

Gegen Ende des Jahres warfen Welikija-Luki und Stalingrad ihre Schatten auch über unsere Gemeinde, zuerst durch das lange Ausbleiben der Post und dann durch die Bestätigung der befürchteten Tatsache des Vermißtseins, die das Jahr 1943 dann über 4 Familien brachte. …


1942 / 1943

Zum gleichen Zeitpunkt (1.4.1942) wurde das Amt des BevolImächtigten für Cremlingen und Schulenrode wieder aufgehoben und die Vollmacht über das Kirchenvermögen dem Kirchenvorstand zurückgegeben. 

 

Erfreulich war für das kirchliche Leben die Tatsache, daß der seelsorgerliche Dienst der Kirche trotz - teils stiller teils offener Gegenarbeit - außer bei Gefallenengedenkfeiern auch zu Taufen und Trauungen begehrt ist. 

 

Es fanden 1942-1943 zusammen 14 Taufen und 1943 allein 8 Trauungen statt. Bei Trauungen singt die Frauenhilfe die Lieder „Jesu, geh voran“, „So nimm dann meine Hände“ und „Zieht in Frieden eure Pfade“. Auch haben in beiden Jahren trotz Gegenarbeit sich 6 Kinder konfirmieren lassen, obgleich 1943 auch 3 getautte Kinder die Schule verlassen haben, ohne sich konfirmieren zu lassen.


1943

Das Jahr 1943 brachte dann noch schwere Verluste über unsere Gemeinde. … Für die letzten 4 Gefallenen fand am 19. September eine gemeinsame kirchliche Gedenkfeier statt, bei der wie auch bei den früheren Gefallenengedenkfeiern die evangelische Frauenhilfe Kränze mit Schleifen stiftete und die Feier durch Gesang der beiden Verse Lied 85, Vers 9 und 10 verschönte.

Mit Max Maas, der im November 1943 fiel, hatte die Gemeinde Cremlingen am Ende des Jahres 1943 den 10. Gefallenen dieses Krieges zu beklagen.


1944

Das Jahr 1944 ist gekennzeichnet durch eine Fülle von Luftangriffen auf Braunschweig und Umgebung, die auch für unsere Gemeinde immer wiederkehrenden Alarm Aufsuchen der Luftschutzkeller erforderlich machten. 

 

Bis auf eine Dachstuhlschädigung durch Flakgeschoß bei Landwirt Gerecke und Brandbombenwurf am 19. Mai auf Cremlingen, sowie einige Bombentrichter (?) in der Nähe des Dorfes ist Cremlingen bis heute (15. Oktober 1944) noch behütet. Am Pfarrhaus wurden durch Detonationen 3 Fensteroberlichtscheiben zertrümmert und der Schornsteinkopf heruntergeworfen; am 19. Mai fielen auch Brandbomben auf das Pfarrgrundstück, aber fast alles Blindgänger.

 

Luftangriffe auf Braunschweig: St. Magnikirche, Industrieviertel Frankfurter Straße … Alte Waage, St. Andreas. …

Auch ein Todesopfer durch Luftangriff hatte die Gemeinde Cremlingen zu beklagen, die 23-jährige Kriegerwitwe Griefs (?), geb. Wandalinski hier, kam im Keller der Firma … neben vielen anderen Arbeitskollegen zu Tode.

 

Konfirmation: nur ein Mädchen blieb fern …

 

Der Großangriff in der Nacht vom 14. auf 15. Oktober auf die Stadt Braunschweig, der die Innenstadt fast völlig zerstörte und Tausende von Obdachlosen brachte, hatte auf unsere Gemeinde insofern Einwirkung, als noch am Sonntag Nachmittag unsere Gemeinde Raum bzw. Wohnungen frei machte für eine größere Anzahl Braunschweiger ausgebombter Familien. Die Betroffenen wurden zunächst von dem W.H.W. (?) auf dem Rittergut verpflegt, bis es dann jeder Familie möglich war, sich selbst am - wenn auch nicht eigenen so doch - gastfreundlich zur Verfügung gestellten Herde zu versorgen.

 

Am Totensonntag wie auch am Heiligen Abend nahmen die evakuierten Gäste aus Braunschweig an den Gottesdiensten in unserer schönen alten Dorfkirche teil.

 

Kirchliche Trauung bei 2 von 4 Ehepaaren …

 

Das Jahr 1944 brachte auch noch viel neues Leid und Sorge über die Gemeinde.

3 Gefallene …

Groß aber ist die Zahl derer, die im Jahre 1944 ihre Angehörigen ohne Nachricht ließen und dann nach vielen Monaten als vermisst gelten mussten.

 

Aus amerikanischer Gefangenschaft geschrieben haben die Gemeindelieder Walter Brasche, Fried. Paulmann und August Klages.


1945

In den Winterwochen lebte die Evangeliumsverkündigung fast nur in den Nachmittagsversammlungen der Frauenhilfe. 

Heldengedenktag__

 

Konfirmation aller Schulentlassenen __ 

 

Die Tage nach Ostern waren gekennzeichnet durch die Erwartung der angloamerikanischen Invasion. Ihr voraus ging ein aufgeregtes Zurückströmen von deutschen Soldaten, das täglich auch in unsere Gemeinde neue Einquartierung brachte; allerdings waren darunter eine etwa 80-Mann starke Gruppe von Aktivisten, die unter Führung des Hauptmann Otto Franke das Dorf gegen die am 12. April heranrollenden Kampfautos der Amerikaner verteidigen wollten und somit der möglichen Zerstörung aussetzen wollten. Dank dem Eingreifen des Cremlinger Gutsschmiedes August Steinmetz, der zusammen mit dem Bäckermeister Willi Coers unter Lebensgefahr den auf dem Sandberg wartenden Spähwagen des Invasionsheeres die weiße Fahne entgegentrug, vollzog sich die Besetzung des Dorfes ohne Zerstörung. 

 

Nur Hauptmann Franke, der mit seinem Auto entfliehen wollte, verlor das Leben und wurde auf dem hiesigen Friedhof mit einem kirchlichen Begräbnis beigesetzt.

 

Ein wehmütig stimmendes Ereignis war die Gefangennahme sämtlicher hier versteckter Uniformträger, die sich ergaben und zum Abtransport in die Gefangenschaft auf dem Hofe des Milchfuhrunternehmers Köchy sammeln mußten. Nur wenige ahnten die folgenschwere Tragik dieses Geschehens - daß damit das Ende einer deutschen Geschichtsepoche eingeleitet war.

Um so bedauerlicher aber die innere Spaltung in der Einwohnerschaft, hervorgerufen durch aufgezwungene Maßnahmen der Sieger und ihre gegensätzliche Beurteilung in der Bevölkerung.

 

Die Belegung des Dorfes mit einer amerikanischen Kommandantur brachte für Betroffene mancherlei Aufregung. Das Pfarrhaus blieb von der Belegung mit Militär verschont; die kirchliche Arbeit - unter der Diktatur des kirchenfeindlichen Nationalsozialismus oft gehemmt - durfte ungehindert weitergehen, ja mit neuem Mut, wie von Fesseln befreit - neu aufgenommen werden. 

 

Bis zum Herbst war Religionsunterricht der einzige Unterricht für die schulpflichtigen Kinder…

Bürgermeister nun August Steinmetz, später auch Gemeindedirektor…

Lehrer Schwabe erst 1949 wieder zugelassen …

 

Seit Kriegsende fanden in unserem Gotteshaus auch katholische Gottesdienste statt, für die die Kirchenkasse später je 3 M Gebühr erhielt.

Im August 1945 zogen die ersten Mietsfamilien in das Pfarrhaus ein…

 

Die Gemeinde und das kirchliche Leben hatte schon 1945 durch die Flüchtlinge aus Ostpreußen ein anderes Gesicht bekommen. Gottesdienste fielen nicht mehr aus, weil treue Kirchenbesucher … regelmässig kamen. Zu berichten ist noch die Nachholung mehrerer Kindertaufen, die in der Hitlerzeit unterblieben bzw. durch den Brauch der Namensweihe einen einstigen Ersatz gefunden hatten. 


1946

Das Jahr 1946 ist bestimmt durch ein Anwachsen der Dorfbewohnerzahl auf das Doppelte seiner bisherigen bzw. früheren Einwohnerzahl. Vor allem waren es die vertriebenen Schlesier aus Glatz, Hirschberg und Breslau, die ein Zusammenrücken in den Wohnungen nötig machten, aber auch das evangelische Gemeindeleben erfreulich belebten.